History

Ein albanischer Musikschatz wird gehoben

Ein albanischer Musikschatz wird gehoben

 

 

Albanische und dänische Künstler nahmen in Dänemark eine CD mit 49 traditionellen, albanischen Liedern auf, die von der Pianistin Lola Gjoka (1910-1985) arrangiert und mit einer Klavierbegleitung im klassischen Stil versehen worden waren.

Von Feride Istogu Gillesberg

Eine Delegation hervorragender Künstler aus Tirana/Albanien, zusammen mit einem schweizerisch-albanischen Pianisten und dänischen Musikern trafen sich im Dezember 2021, um etwa 50 tradi­tionelle albanische, von der ersten albani­schen Pianistin, Lola Gjoka Aleksi, arran­gierte Lieder aufzunehmen. Lola Gjokas Lie­der sind eine Verschmelzung authentischer, albanischer Volkslieder und klassischer Mu­sik - ein kultureller Schatz, der nun nach sie­ben Jahrzehnten ans Tageslicht kommen wird.

Lola Gjoka Aleksi, 1910-1985, war die er­ste albanische Pianistin, die eine entschei­dende Rolle dabei spielte, klassische Musik nach Albanien zu bringen. Lola Gjoka arran­gierte rund 50 albanische Volkslieder, wie sie von den Menschen im ganzen Land ge­sungen wurden. Lola Gjoka schrieb die No­ten auf und komponierte die Klavierbeglei­tung zu den Liedern, wobei sie deren Au­thentizität möglichst weitgehend bewahrte. Diese Lieder waren Teil der klassischen Kon­zerte, die sie zusammen mit den ersten Belcanto-Opernsängern in Albanien gab.

1912 erlangte Albanien nach 500 Jahren brutaler Besetzung durch das Osmanische Reich endlich gegen alle Widerstände seine Unabhängigkeit. Nach der Erlangung der Freiheit versuchten die Nachbarländer alles, um Albanien unter sich aufzuteilen, was ih­nen teilweise auch gelang. Jedoch war der Wunsch der Albaner, in Seele und Geist sehr lebendig, aus der extremen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rückstän­digkeit herauszukommen.

Wie die klassische Musik ihren Weg nach Albanien fand

Lola Gjoka wurde in Sewastopol auf der Krim geboren, wohin ihre Eltern als albani­sche Einwanderer gekommen waren. Ihr Va­ter sang albanische Volkslieder und spielte leidenschaftlich gern die Mandoline. Er lieb­te die Musik und wollte seiner Tochter die Möglichkeit geben, das Klavierspiel zu erler­nen, also kaufte er für sie ein Klavier. Als sie neun Jahre alt war, bekam Lola Klavierunter­richt in der Schule, und ihre Klavierlehrerin war von Lolas musikalischem Talent begei­stert. Lola Gjoka studierte am Musikkonser­vatorium in Sewastopol. Im Jahr 1932 wurde den Einwanderern ein Ultimatum in Form eines Gesetzes gestellt: Entweder sie werden sowjetische Staatsbürger, oder sie verlassen das Land. Die Familie war zu patriotisch, um ihre albanische Identität aufzugeben, denn sie wusste, wie schwer die Erlangung der Un­abhängigkeit für ihr Volk gewesen war. Also verließ die Familie das Land und kehrte nach Albanien zurück. Lola war 21 Jahre alt. Sie kam in Albanien als erste albanische Piani­stin an. Später machte sie ihr Diplom in Athen, nachdem sie einen Klavierwettbe­werb in Wien gewonnen hatte.

Als Lolas Familie die Krim verließ, nahm sie das Klavier mit, da sie wusste, dass es in Albanien keine Klaviere gab. Die Reise ende­te tragisch, denn Lolas kleiner Bruder starb auf dem Weg. In Korca in Albanien ange­kommen, halfen alte Freunde der Familie, sich niederzulassen, und Lola begann, Mäd­chen und Jungen aus wohlhabenderen Fa­milien Unterricht zu geben, um ihrer Fami­lie, die durch die Hyperinflation alle Erspar­nisse verloren hatte, den Lebensunterhalt zu sichern.

Als Lola nach Korca kam, hatte der erste albanische lyrische Opernsänger, Mihal Ciko, der in den 20er Jahren aus dem Ausland zurückgekehrt war, bereits die Saat für eine kulturelle Wiedergeburt gelegt. Er war der erste Albaner, der in Mailand am Giuseppe­ Verdi-Konservatorium studierte. Mihal sorg­te nicht nur in Albanien für viel Aufsehen. Er nahm 1924 am internationalen Volkslie­derwettbewerb auf der Mailänder Messe teil, wo er albanische Volkslieder vortrug, die noch nie außerhalb Albaniens gesungen worden waren. Mihal Cikos Interpretation war so ergreifend, dass er den Wettbewerb gewann.

Lola Gjoka minLola Gjoka und Mihal taten sich zusam­men. Weitere Opernsänger kehrten nach Al­banien zurück: die Sopranistinnen Jorgjia Felice Truja, Tefta Tashko, Maria Kraja, der Tenor Kristaq Antoniu und der Bariton Kristaq Koco. Der Keim einer kulturellen Re­naissance war gelegt, mit Lola Gjoka im Epi­zentrum.

Die große Pianistin begleitete alle Sänge­rinnen und Sänger bei Arien von Verdi und Puccini, deutschen Liedern und vielem mehr. Albanische Volkslieder waren ein wichtiger Bestandteil der Konzerte. Viele tra­ditionelle Volkslieder wurden von Lola Gjoka aufgeschrieben, die Klavierbegleitungen arrangierte und dabei die Authentizität der alten Volkslieder sorgfältig bewahrte. Tefta Tashko und die anderen Sängerinnen und Sänger kamen mit Liedern aus verschiede­nen Teilen Albaniens zu ihr, damit Lola sie aufschreiben und die Klavierbegleitung ar­rangieren konnte. Lola Gjoka und Tefta Tashko wurden mit Bienen verglichen, die den Honig von all den verschiedenen Blu­men im albanischen Garten sammelten. Diese Lieder wurden zu einem kulturellen Schatz, der die Herzen der Menschen mit Schönheit, Liebe, Optimismus und Hoff­nung auf eine bessere Zukunft erfüllte. Es war der Beginn einer kulturellen Renaissance ab den 30er und 40er Jahren, die mehrere Jahrzehnte andauerte.

In den 70er Jahren überarbeitete Lola ihre Lieder noch einmal. Ihr letzter Wunsch vor ihrem Tod 1985 war es, diese Lieder für die neue Generation zugänglich zu machen. Aufgrund gesundheitlicher Probleme veröf­fentlichte Lolas einziges Kind, Juki, erst 2007 ein Buch mit den 52 Liedern ihrer Mutter, die jedoch nie aufgenommen wurden.

Ich lernte Lieder von Lola Gjoka zum er­sten Mal durch die schweizerisch-albanische Pianistin Ermira Lefort kennen, die 2019 nach Dänemark kam, um mit mir zwei die­ser Lieder aufzuführen. Das geschah im Rah­men des Konzerts „Ein musikalischer Dialog der Kulturen“das vom Schiller-Institut, dem Russisch-Dänischen Dialog und dem Chinesischen Kulturzentrum organisiert wurde. Ermira und ich wurden vom däni­schen Konsul in Tirana eingeladen, ein Kon­zert mit einem dänisch-albanischen Pro­gramm zu geben. Wegen der Corona-Pande­mie wurde das Konzert auf den 5. Juni 2021 verschoben. Das Schicksal wollte es, dass Ermira zu dem Zeitpunkt nicht nach Tirana kommen konnte, und ich brauchte einen Ersatz. So lernte ich die Pianistin Rudina Ci­ko kennen, ein wahrer Segen. Ich traf Rudina im Mai in Tirana. Einige Wochen zuvor hatte sie mir das Buch mit den gesammelten Liedern von Lola Gjoka geschenkt. In der Zwischenzeit hatte ich Zeit, die gesammelten Lieder durchzusehen und entdeckte, dass jedes von ihnen etwas ganz Besonderes und Schönes ist. Nach dem Konzert in Tirana, auf dem Weg zurück nach Dänemark, dachte ich, dass diese Lieder auf­genommen werden sollten. Jedes Lied ist wie eine Perle in einer schönen Perlenkette, und die Menschen sollten Zugang zu diesem Schatz haben.

Der Funke, der darauf wartete, in Feuer verwandelt zu werden

Ich beschloss, meinen Teil dazu beizutragen, dass diese Lieder aufgenommen werden. Durch Rudina Ciko lernte ich ihren Mann kennen, den Dirigenten Zhani Ciko, den Sohn des berühmten Belcanto-Sängers Mihal Ciko, einem Freund Lola Gjokas. Zhani Ciko ist ein Kind der kulturellen Renaissance und trägt das lebendige Erbe der albanischen kulturellen Renaissance in seinem Geist und Herzen. Zhani Ciko organisierte in den 1970er Jahren die erste Aufführung von Beethovens Neunter Symphonie in der Ge­schichte Albaniens.

Als ich mit Zhani über die Idee sprach, alle Lieder von Lola Gjoka aufzunehmen, war er begeistert. Er begann sofort, an der Verwirk­lichung dieser Idee zu arbeiten. Zhani orga­nisierte eine Gruppe großartiger Sängerin­nen und Sänger, darunter die sehr bekannte Sopranistin Mariana Leka, die Sopranistin Erlinda Agolli, der Tenor Gerald Murraj, der Bariton Antonio Zefi sowie Rudina Ciko, die das Klavier spielt. Zusammen mit der gro­ßen Pianistin Ermira Lefort, Stig Fogh An­dersen, einem sehr bekannten dänischen Tenor, und mir selbst, als einer dänisch-alba­nischen Sopranistin, wurde eine Gruppe ge­bildet, die die Idee umsetzen konnte. Wir trafen uns alle in Dänemark, um das Projekt zu verwirklichen.

Dank Knud Rasmussen, dem Organisten der Kirche in Virum, einem Vorort von Ko­penhagen, öffnete uns die Kirche ihre Türen für die Aufnahmen. Und dank Stig Fogh An­dersen, seinem Sohn Ask und seiner guten Freundin Heidrun Beer konnten wir die Auf­nahmen machen. Dank all dieser Musiker gelang es uns, die 49 Lieder in weniger als vier Tagen, vom 27. bis 30. Dezember 2021, aufzunehmen. Zum Abschluss haben wir ein kleines Konzert veranstaltet.

Diese Aufnahme ist ein historisches Ereig­nis. Die Veröffentlichung der gesammelten Lieder von Lola Gjoka Aleksi auf einer Dop­pel-CD im Frühjahr dieses Jahres wird nicht nur ein Schatz sein, der dem albanischen Kulturerbe zurückgegeben wird, sondern auch eine Perle, die dem europäischen Kul­turschatz hinzugefügt wird. Mögen die CDs eine Inspiration für viele Konzerte und den kulturellen Austausch zwischen Albanien und vielen Nationen sein!

Einen Bericht über das Projekt (in albani­scher Sprache mit Musikaufnahmen) kön­nen Sie im Internet unter https://www.youtu- be.com/watch?

Um die CDs zu bestellen, wenden Sie sich bitte an Feride Gillesberg unter: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

Information

Musikalsk dialog is a new iniciativ that has the aim to promote Albanian Classical Music internationaly in cooperation with differend artist in the respected nations. For more information contact Feride I.Gillesberg on info@musikalskdialog.dk  or +45 25125033. 

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